„Keine Frage: „Aura“ war die bedeutendste Musiktheateraufführung, die Hamburg in den letzten Jahren erlebt hat, ein Werk, das von einer inneren Einheit von Form, Klang und Inhalt ist wie es nur ganz selten zu erleben ist. Die mit Spiegel- und Schattenwirkungen sowie Irrealität potenzierenden Videoprojektionen arbeitende szenische Realisierung durch Mirella Weingarten fügte sich bestens in das Gesamtkunstwerks-Konzept. Man mag der Aufführung vorwerfen, dass sie die Geschichte kaum zu vermitteln versucht. Aber dieses Stück lebt eben nicht vom Erzählen einer Handlung sondern vom Verschwimmen von Realitäten wie sie im zugrundeliegenden Text von Carlos Fuentes schon angelegt ist. Fuentes zählt man als Autor zu den magischen Realisten, Sánchez-Verdú kann man als sein musikalisches Pendant bezeichnen. Dass dessen Musik auch ohne Szene von ungemein starker Wirkung ist, das konnte man auch in anderen Konzerten dieses Festivals erleben. Tiefe Eindrücke. Große Kunst."
Cellesche Zeitung, Reinald Hanke, 27.04.2011
„Hamburg. Ein kreisrundes, metallfarbenes Wasserbassin nimmt die Mitte der Bühne ein. Dahinter stehen drei Personen, ein Mann und zwei Frauen: Ganz in weiß gekleidet, weiß geschminkt und auch weiß beleuchtet. Regisseurin Mirella Weingarten empfängt die Kampnagel-Besucher mit einem mondbleichen Bild, das eine somnambul-traumartigeAtmosphäre verströmt – passend zum Inhalt des Stücks. Denn Carlos Fuentes’ Novelle Aura erzählt von der rätselhaften Begegnung eines Mannes, Felipe, mit der uralten Consuelo und ihrer jungen Nichte Aura, die ihn anzieht und fasziniert. Doch im Laufe der Zeit scheinen die Identitäten der beiden Frauen ineinander zu driften; die Grenzen zwischen Realität und Einbildung verschwimmen. Dieses Changieren der Ebenen von Zeit und Wirklichkeit spiegelt sich – buchstäblich – in der Oberfläche des Wassers, aber auch in wechselnden Projektionen auf der Leinwand hinter den Personen. Kunstvoll integriert Weingarten Elemente aus Schattenspiel und Scherenschnitt in ihre stilisierte Bildsprache. Sie wirkt wie maßgeschneidert für die Partitur von José María Sánchez-Verdú: Die sparsamen, zeitlupenhaften Bewegungen der drei Protagonisten verschmelzen mit den sanft fließenden Wellenlinien seiner Musik. Dass in nur zwei Tagen eine auch szenisch so starke Aufführung entstehen kann, ist fast ein kleines Wunder. Am Ende schwankt man leicht benebelt und aufs Raffinierteste verwirrt nach Hause. Ein starker Abschluss der „Ostertöne“ 2011.“
Kieler Nachrichten, 27. 4. 2011