„In seiner musikszenischen Collage Angelus Novus II vertraut der Komponist Helmut Oehring wichtige Teile des Werks jungen Studierenden der HKB an. Ihre Beiträge aus Klassik, Jazz, Medienkunst, Théâtre musical, Gestaltung und Kunst, Rhythmik und Oper modellieren die Komposition als einen lebendigen Archipel.
Die Auftragskomposition der HKB an den renommierten deutschen Komponisten kam im Januar 2015 als Ko-Produktion mit der Dampfzentrale Bern vor zwei Mal ausverkauftem Haus zur Aufführung. Es war eines der umfassendsten transdisziplinären Projekte, das die Hochschule der Künste Bern je realisiert hat.“
HKB Zeitung
„Das Echo eines Engels: Für das musikalische Grossprojekt in der Dampfzentrale arbeiten Studenten der HKB mit Helmut Oehring zusammen, einem Komponisten, dessen Biografie noch ungewöhnlicher ist als sein Werk. Man fühlt sich wie in einer Dunkelkammer. Der Dirigent hebt die Hand. Es beginnt silbern zu sirren, kommt näher, wird grösser: ein Klang-Goliath. Bevor man unter seiner Klangwucht zusammenzuckt, stürzt er in sich zusammen. Vom Bühnenhimmel hängen Zackenscheiben. In ihren transparenten Scherben bricht sich das Licht der Scheinwerfer, später alte Handschriften, mathematische Formeln. Oder ein Auge, dessen Wimpernkranz wirkt wie ein Büschel krakeliger Spinnenbeine. Dann Wolkenkratzer, Gleise, die endlos durch Landschaften rasen, als sässe man in einem fahrenden Zug. Momentaufnahmen. Woher, wohin, wozu? «Leiser», sagt Lennart Dohms. Der Dirigent biegt seinen gespannten Körper über die Partitur. Ein Orchesterflüsterer! Ein Wort, eine Geste genügt: Der riesige Orchesterapparat weicht zurück, verblasst zum Schatten seiner selbst. Ein Klangkorpus, wie man ihn sonst nie vor sich hat. Da sitzen Jazzsängerinnen neben Opernsolisten, die aussehen wie fluoreszierende Engel, eine Bassklarinettenbläserin läuft im Kreis, fällt zu Boden, kreiselt, bläst weiter wie eine Kompassnadel. Derweil erhebt eine E-Gitarre ihre Stimme, gerät mit der Laute in eine Diskussion. Obwohl sie nicht die gleichen Sprachen sprechen, sie verstehen sich. Alles passiert gleichzeitig in einer geheimnisvollen Ordnung. Auf der Galerie gestikulieren Lichtgestalten. Sie tanzen etwas, das aussieht wie Gehörlosensprache. Das babylonische Gewirr aus Körpern und Stimmen macht dünnhäutig und hellhörig. Neben Instrumenten reden hier auch Baudelaire, Goebbels. Und der Philosoph Walter Benjamin: Der Engel aber ähnelt allem, wovon ich mich habe trennen müssen: den Menschen und zumal den Dingen. In den Dingen, die ich nicht mehr habe, haust er. Er macht sie durchsichtig.“
Der Bund